Freitag Abend, zum zweiten Mal lädt die Volkswagenstiftung zur Herrenhausen Science Movie Night ein. Das Thema: “Wie Plastik unser Leben verändert – zum Guten und zum Schlechten.” Gezeigt wird der Dokumentationsfilm „Plastic Planet“ von Werner Boote. Zur Limo gibt’s Strohhalme aus Maisstärke. Über 300 Leute sind gekommen, den Film zu sehen und mit ausgewählten Experten die Auswirkungen und Gefahren unseres Plastikkonsums zu diskutieren.
Die Mehrheit der Besucher ist laut einer Umfrage zu Beginn der Veranstaltung der Meinung, die größte Verantwortung dafür, den Umgang mit Plastik zu verändern, liege beim Verbraucher.
Klar, Verbraucher haben in ihrer Masse sicher die größte Macht, durch ihr Konsumverhalten Veränderungen zu bewirken. Um diese wirtschaftliche und politische Macht freizusetzen, braucht der Konsument meiner Meinung nach aber Unterstützung. Denn es geht, wie die Sozioökologin Johanna Kramm in der Diskussion schnell klar macht, nicht nur um Bio- oder konventionelle Kunststoffe. Es geht um das komplexe Geflecht aus Bedingungen für unsere Konsumentscheidungen und deren Folgen. Um in jedem Fall das ökologisch und ökonomisch nachhaltigste Produkt aus der Vielfalt der Angebote auszuwählen, brauchen Verbraucher sehr viel Information. Im Diskussionspanel geht es beispielsweise vorrangig darum, in wie weit konventionelle und neue (Bio-) Kunststoffe recycling- oder kompostierfähig sind. Informationen über die Gesamtenergiebilanz ihres Lebenszyklus jedoch sind für Verbrauchen kaum zu finden und fehlen auch an diesem Abend. Oder die Frage danach, wie sich die verschiedenen (Bio-) Kunststoffe auf das Ökosystem auswirken, wenn sie in die Umwelt gelangen. Hierzu wäre es interessant gewesen, die Biokunststoff-Entwicklerin Andrea Siebert-Raths zu hören und den Ozeanforscher Lars Gutow (der ohnehin zu wenig zu Wort kam).
Wirtschaft und Politik folgen in der Umfrage nach der Verantwortung mit wenig Abstand auf die meistgenannten Konsumenten. Sie sind in der Pflicht, Informationen für Verbraucher in transparenter und zugänglicher Form bereitzustellen. Die Bedeutung der Wissenschaft dagegen scheinen die meisten zu unterschätzen. Nur ein kleiner Teil der Besucher sieht bei ihr eine Verantwortung dafür, unseren Plastikkonsum zu verändern. Dabei ist es nicht nur Aufgabe der Wissenschaft, neue Erkenntnisse zu gewinnen. Insbesondere gehört dazu auch, verlässliche Informationen als Grundlage für den politischen Diskurs und für wirtschaftliche und ökologische Entscheidungen der Verbraucher zu veröffentlichen. Eine wichtige Rolle kommt hier übrigens der Wissenschaftskommunikation zu, die entsprechende Daten und Erkenntnisse verbrauchergerecht aufbereiten und darstellen kann und muss.
Die Politik kann – und darf meines Erachtens – Konsumenten gelegentlich auch mithilfe von Verboten, Gesetzen und Vorschriften unterstützen, die unsere legitimierten Stellvertreter auf der Grundlage fundierter Informationen beschließen. Sie entlasten den Verbraucher damit ein Stück weit von seiner überwältigenden Pflicht, sich ständig und umfassend über komplexe Sachthemen zu informieren.
Und manche sinnvolle Entscheidungen kann jeder von uns auch anhand von wenig Information eigenständig treffen. Dazu fiel zum Beispiel das Stichwort Regionalität. Muss ich in Niedersachsen wirklich frische Himbeeren im Dezember kaufen? Und über die CO2-Bilanz des Transportes von Glas- im Gegensatz zu Kunststoffflaschen muss ich mir weniger Gedanken machen, wenn ich Mineralwasser aus dem Harz statt aus Italien trinke – und gleich gar keine, wenn ich Leitungswasser nehme.
Am Filmabend stehen zur Limo in Glasflaschen Strohhalme aus Kunststoff auf der Theke. Ob er die nicht einfach wegstellen wolle, frage ich den Barkeeper. Wo wir doch hier sein, um einen Film über die Gefahren durch Plastik zu sehen. “Deshalb sind die aus Maisstärke”, strahlt er mich an. “Prima”, finde ich – und nehme keinen Strohhalm. Denn im Zweifelsfall ist die Entscheidung für einen Verzicht ökologisch häufig die sinnvollste.