Um Wörter mit ihrer Bedeutung zu verknüpfen brauchen Babys genug Schlaf.
Sprache lernen im Schlaf: Was so mancher Abendkurs-Besucher sich wünscht, scheint bei Babys normale Entwicklung zu sein. Und zwar deutlich früher als bisher angenommen. Das fanden jetzt Forscher des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig heraus.
Die Kognitionsforscher um Angela D. Friederici zeigten Babys im Alter von sechs bis acht Monaten Fantasieobjekte und benannten diese mit frei erfundenen Wörtern wie “Bofel” oder “Zuser”. Sie verwendeten mehrere Bolfels oder Zusers, die sich in Form und Farbe nur geringfügig unterschieden. Die Objekte hatten keinerlei Ähnlichkeit mit Alltagsgegenständen. So stellten die Forscher sicher, dass die kleinen Studienteilnehmer tatsächlich neues Wissen erwarben.
Für ihre Untersuchung beobachteten sie die Hirnaktivität der Säuglinge. Während der Lernphase konnten sie zunächst feststellen, dass die Babys ähnliche Objekte noch nicht mit dem gleichen Begriff verbanden. Jeder Bofel war für sie eine komplett neue Bekanntschaft.
Nach einer Phase des Lernens ließen die Wissenschaftler einige der kleinen Versuchsteilnehmer schlafen. Bei Babys die geschlafen hatten, unterschied das Gehirn hinterher, ob die Forscher ein neues Objekt zurecht oder fälschlicherweise als Bofel oder Zuser benannten. Babys die nicht geschlafen hatten, gelang das nicht. Die Probanden hatten also im Schlaf ihr neuerlerntes Wissen über die verschiedenen Kategorien von Objekten gefestigt.
Schliefen die Säuglinge länger als 50 Minuten, beobachteten Friederici und ihre Kollegen im anschließenden Test sogar eine N400 Komponenten in den gemessenen Hirnaktivitäten. Als N400 bezeichnen Neurowissenschaftler ein negatives Potential, das 400 ms nach einem spezifischen Stimulus im Elektorenzephalogramm auftritt. Es ist das erste Mal, dass Forscher eine solche Reaktion bei Säuglingen beobachten. Bei älteren Kindern und Erwachsenen kennzeichnet eine N400 Komponente die Verarbeitung von unpassenden Wort-Wort oder Wort-Bild Paaren.
Die Langschläfer hatten, so deuten die Wissenschaftler diese Beobachtung, tatsächlich die Bedeutung des neugelernten Wortes gespeichert.
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Kinder bereits deutlich früher als bisher angenommen über echte Wortbedeutungen in ihrem Langzeitgedächtnis verfügen,” erläutert Friederici. Sie widerlegen die bisherige Annahme, dass das kindliche Gehirn erst in einem Alter von neun Monaten weit genug entwickelt ist, um ein semantisches Langzeitgedächtnis zu verwalten.
Sie deuten zudem darauf hin, dass die Abläufe im Gehirn schlafender Säuglinge der kindlichen Sprachentwicklung quasi im Zeitraffer vorhergehen. Zunächst filtert das Hirn ähnliche Merkmale neu kennen gelernter Objekte heraus und assoziiert sie mit bestimmten Lauten. Erst in einer späteren Phase des Schlafes festigt sich die tatsächliche Bedeutung neu gelernter Wörter.
„Die beiden Gedächtnisformen, die sich im Schlaf bilden, sind vergleichbar mit den Formen, die in der frühkindlichen Entwicklung ablaufen,” erklärt Studienleiterin Manuela Friedrich. In der Entwicklung lägen typischerweise Monate zwischen diesen Phasen, die nur einmal durchlaufen werden. Im Schlafen folgen sie im Abstand von wenigen Minuten aufeinander. Damit Babys die wichtige Phase durchlaufen, in der sich eine höhere Form des lexikalischen Gedächtnisses entwickelt, brauchen sie also auch tagsüber genug Schlaf. “Nur im Zusammenspiel aus wachem Erleben und den ordnenden Prozessen während des Schlafes können sich die frühen kognitiven und sprachlichen Fähigkeiten entwickeln,“ fasst Manuela Friedrich ihre Erkenntnisse zusammen.
Die Studie wurde in Current Biology publiziert:
The Sleeping Infant Brain Anticipates Development
DOI: http://dx.doi.org/10.1016/j.cub.2017.06.070
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